Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Meine Damen und Herren,
Auch eine nicht gehaltene Haushaltsrede ist eine Haushaltsrede - und der ein oder andre mag der derzeitigen Krise vielleicht sogar etwas Positives abgewinnen, angesichts der Tatsache, dass wir alle um den ein oder anderen Moment der Aufregung und des erhöhten Pulsschlages beim Zuhören anderer Fraktion herumkommen. Insofern ist das diesjährige Vorgehen, zu dem wir uns entschieden haben, der Gesundheit doppelt zuträglich.
Denn um uns tobt wahrlich die größte menschliche, wirtschaftliche und moralische Krise unserer Zeit. Zwar möchte ich nicht so weit gehen, diese Krise mit den Nachkriegsjahren des zweiten Weltkrieges zu vergleichen, die Millionen von Menschen mit Hunger und Leid in Erinnerung bleiben sollten und in denen ganze Länder und Landstriche verwüstet waren, aber tatsächlich ist diese Krise die größte Herausforderung unserer Zeit. Eine Herausforderung, in der man sich nur durch Abstand beistehen kann. Dieser Bedrohung tragen wir alle Rechnung. Jede Einwohnerin und jeder Einwohner unserer Stadt.
Deswegen möchte ich Ihnen heute zuallererst danken. Ich danke Ihnen dafür, dass sie in schwieriger Zeit als übergroße Mehrheit diszipliniert und verantwortungsvoll sind. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie die Notwendigkeiten erkennen und begreifen, dass der Schutz der Allgemeinheit wichtiger ist als die persönliche Annehmlichkeit.
Der Dank gilt dabei in besonderem Maße auch denjenigen, die sich tagtäglich in den Krankenhäusern, den Pflegestationen und im Gesundheitswesen darum bemühen, die persönlichen Leiden in dieser Krise abzumildern und das Gesundheitssystem aufrechterhalten. Der Dank gilt den unermüdlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unseren Lebensmittelgeschäften und Supermärkten, die in diesen Tagen dafür sorgen, dass die Versorgung unserer Bevölkerung jeden Tag und immer gewährleistet ist. Ebenso danke ich den Bediensteten der Stadtverwaltung und allen städtischen Tochtergesellschaften, die jeden Tag dafür sorgen, dass unsere Stadt vor allem eines bleibt: Handlungsfähig.
Politische Handlungsfähigkeit, deshalb sind wir heute hier, drückt sich auch immer im Haushalt aus, den wir heute hier beschließen sollen. So ist es nicht verwunderlich, dass der in über 700 Seiten niedergeschriebene Haushalt der Stadt für das vor uns liegende zweite Jahr der Pandemie vermutlich jetzt schon an einigen Stellen wieder von der Realität eingeholt wurde. So stehen wir auf einem schmalen Grat zwischen drohendem Absturz in die roten Zahlen auf der einen Seite und diesem politischen Zweckoptimismus auf der anderen Seite, der jedes Jahr aufs Neue eine Trendwende erhofft.
Für eben diesen Zweckoptimismus steht, dass sich die finsteren Prognosen eines totalen wirtschaftlichen Ausfalls eben nicht erfüllt haben. Herne ist mit all seinen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, in all seinem Zusammenhalt robuster als manchmal angenommen, vor allem aber greifen die Rettungsschirme und Hilfsprogramme, die Bund und Land auf den Weg gebracht haben.
Deswegen ist die Kritik an der Landesregierung, die von Ihnen, Herr Dr. Klee, in ihrer Rede zur Einbringung des Haushaltes vorgebracht wurde, weder hilfreich noch fair, vor allem aber auch widersprüchlich.
In Ihrem eigens formulierten Haushalt heben Sie kritisch die Zuwendungsquote Landesregierung von fast 50% hervor. Dabei bekennt sich diese Landesregierung und allem voran unser Ministerpräsident Armin Laschet zu ihrer finanziellen Verantwortung gegenüber den Städten und Gemeinden. Lassen Sie uns den Blick schweifen, über die großen Projekte, die der Oberbürgermeister im vergangenen Jahr vollmundig und zu Recht stolz in der Presse verkündet hat. Wir sehen es auf fast jedem Projektschild in dieser Stadt: „Gefördert mit Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalens“, „Gefördert mit Mitteln des Bundes“.
Ich empfehle jedem einmal den Blick auf den umgestalteten Europaplatz und ich selbst war anwesend als unsere Ministerin Ina Scharrenbach der WHS den Förderbescheid für die Sanierung der Häuser an der Bochumer Straße überreichte. Werfen Sie mal einen Blick auf das Baustellenschild der „Neuen Höfe“ - und ohne Fördermittel des Landes sähe es auch um unsere Straßen und Fußgängerzonen noch schlechter aus. Werfen wir gemeinsam einen Blick auf die Schullandschaft. Auf dem Feld der Bildung ist das Förderprogramm „Gute Schule“ ein wahrer Segen für unsere Schulen - auch und gerade wenn der Investitionsstau in dieser Pandemie noch einmal deutlich zu Tage getreten ist. Nur dieser Unterstützung ist zu verdanken, dass wir handlungsfähig bleiben. Aber einige Hausaufgaben müssen wir eben auch selbst erledigen.
2014 wurden wir in der örtlichen Presse belächelt, als wir gemeinsam mit dem Kooperationspartner unseren Dezernenten Dr. Frank Burbulla mit der Aufgabe unserer Rettungs- und Feuerwehrkräfte betraut haben. Heute stemmen wir in diesem Ressort das größte Investitionsprojekt der letzten 50 Jahre, nämlich den Neubau unserer Feuer- und Rettungswachen. Denn klar ist: Unsere Stadt kann noch so digital und zukunftsfest aufgestellt sein: Funktioniert unsere Rettung und Feuerwehr nicht, sind unsere Einsatzkräfte nicht vernünftig und zeitgemäß ausgerüstet, sind wir im Ernstfall eben nicht mehr handlungsfähig und - erlauben Sie mir das Wortspiel - nicht zu retten.
Deswegen sind wir nach der Kommunalwahl 2020 auch noch einen Schritt weiter gegangen und haben den Aspekt der Sicherheit und Ordnung diesem Ressort beigeordnet. Weil Rettung, Sicherheit und Ordnung immer zusammen gedacht werden müssen. In Zeiten, in denen Rettungskräfte angegriffen, Bürger belästigt werden und sich nicht mehr sicher fühlen und in Zeiten, in denen der Ordnungsdienst tagtäglich in der Ausübung der Dienstpflicht angepöbelt wird, müssen wir einen Rundblick auf die Herausforderungen in diesem Bereich haben. An dieser Stelle einen herzlichen Dank an den Kooperationspartner, der unsere Bitte hier nicht nur ernstgenommen, sondern unsere Ansätze und Bedenken auch geteilt hat.
Es geht um die Handlungsfähigkeit. Dieser Haushalt ist - weiß Gott - kein Haushalt, mit dem wir goldene Brücken oder Straßen bauen können. Trotzdem ist die Infrastruktur ein drängendes Thema. Die Politik hat nach der Kommunalwahl endlich die richtige Entscheidung getroffen und einen eigenen Ausschuss für Digitales, Infrastruktur und Mobilität auf den Weg gebracht. Dafür danke ich allen Fraktionen, die hier mitgewirkt haben. Denn genau so ist diese Aufgabe zu verstehen: Als eine Aufgabe, die Partei- und Fraktionsübergreifend das wortwörtlich „Verbindende“ in den Vordergrund stellt und nicht das Trennende; Der Vernunft sollte hier Gehör geschenkt werden, dem Konsens nicht der Lautstärke:
Es ist vernünftig, den Radverkehr zu stärken und ihn attraktiver zu machen. Es ist vernünftig, die Bürgerdienste zu stärken und dafür die Digitalisierung zu nutzen. Jeder Behördengang, der nicht physisch stattfinden muss, ist ein guter Behördengang und die beste Behörde ist die, die volldigitalisiert 24/7 geöffnet hat und gleichzeitig ausbildet und Arbeitsplätze schafft. Es ist diese vernunftbasierte, konsensorientierte Politik, die unserer Stadt ihre Handlungsfähigkeit sichert.
Konsens, das bedeutet sich in der Mitte zu treffen. So funktioniert Politik und Demokratie. Nicht darin, auf einem Standpunkt zu verharren. - Deswegen ist es falsch in einer Stadt nur bezahlbaren, sozialen Wohnraum zu schaffen. Genauso falsch ist es, in einer Stadt nur hochpreisigen Wohnraum zu schaffen. Als Metropolregion Ruhr mit hervorragender Infrastruktur müssen wir auch hier im Konsens Handlungsfähigkeit beweisen. Dieser Konsens schließt „Wohnen am Kanal“ genauso ein, wie bezahlbaren Wohnraum für Studenten und geringer Verdienende.
Doch irgendwo endet eben auch der Zweckoptimismus und wir blicken auf die andere Seite des schmalen Grates, auf dem wir stehen. Die Hebesätze von Grund- und Gewerbesteuer sichern zwar einerseits unsere Handlungsfähigkeit, andererseits schlagen sie oft vernichtend zu Buche, wenn es um die gezielte Ansiedlung von jungen Menschen oder Unternehmen (im Idealfall von beidem) geht. Unsere Stadt muss hier mittelfristig den Trend umkehren und die Bürgerinnen und Bürger von Belastungen entfesseln. Ein vom Bund debattierter Altschuldenschnitt kann hier ein erster Hebel sein, die strukturelle Veränderung von Gesetzeslagen wäre der Zweite, eine solide Haushaltsführung seitens unserer Verwaltung der dritte Schritt hin zu diesem Ziel.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, sie sehen: Die Herausforderungen sind vielschichtig, unterschiedlich groß und unterschiedlich schwer zu lösen. Dabei können wir die aus der Krise resultierenden Herausforderungen heute noch nicht einmal erahnen.
Wir stellen uns diesen Herausforderungen, denn wir wollen handlungsfähig bleiben. Für Sie, die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt. Denn kommunale Verwaltung bedeutet auch kommunale Verantwortung.
Wir übernehmen Verantwortung und wir stellen uns diesen Herausforderungen gerade in Zeiten, in denen die Krise mit voller Wucht zuschlägt und gerade in Zeiten, in denen es gilt enger zusammenzustehen, als zuvor. Deshalb wird die CDU-Fraktion diesem Haushalt zustimmen.
Trotz des ein oder anderen kritischen Tons, Herr Stadtdirektor, wünschen wir Ihnen und Ihrer Mannschaft weiterhin viel Erfolg, danken Ihnen aber auch für die Professionalität, mit der Sie und Ihr Fachbereich in diesen undurchsichtigen Zeiten jeden Tag aufs Neue versuchen, das Schiff auf Kurs zu halten. Wir tun unser Möglichstes, um Sie dabei zu unterstützen.
Insofern: Wir bleiben handlungsfähig, bleiben Sie gesund.
Vielen Dank und Glück auf.
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